Bildung braucht Beziehung – Beziehung braucht Engagement

„Für den Lernerfolg ist vorwiegend die gelingende Beziehung zwischen Lernenden und Lehrenden verantwortlich. … Menschen lernen nur dann, wenn sie sich wohlfühlen und von anderen Anerkennung erfahren. Lernen – und damit Leben – geschieht also ausnahmslos in Beziehungen.“

Diese Statements sind unter anderem die Ergebnisse der österreichischen Bildungsdialoge, die von Frühjahr bis Sommer 2015 in allen Regionen Österreichs unter der Leitung der ‚Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit‘ stattfanden. Dabei wurde insbesondere die Beziehung zwischen Schülern & Lehrern thematisiert, die im optimalen Fall eine entspannte, aufmerksame und einander zugewandte Grundhaltung‘ als ‚Voraussetzung für freudvolles und damit nachhaltiges Lernen‘ aufweist.


Für mich als Mutter – und damit als Dritte im Bunde dieser „Bildungs-Beziehungs-Partnerschaft“ – stellt sich nun einfach die Frage „Und was sind dabei nun MEINE Aufgaben? Wie kann ich zu diesem Bildungsprozess, den ich als Elternteil ja mitentschieden habe, beitragen?“

Ich denke, in der Erziehung gilt mit zunehmenden Alter des Kindes sicher „Weniger ist Mehr“. Wenn Halbwüchsige keine Gelegenheit erhalten, in ihrem Bildungs- bzw. Lebensweg selbst Entscheidungen zu treffen und mit allen Konsequenzen „durchzuziehen“, haben sie keine Chancen aus eigenen Fehlern zu lernen.

Mein Anteil an diesem Bildungsprozess beschränkt sich daher „nur“ auf die (bedarfsorientierte) Pflege der Kommunikation „Lehrer – Eltern“ und die Schaffung von folgenden Rahmenbedingungen innerhalb der Familie:

Vermittlung von Bildungskultur
Wie die meisten Eltern, sehe ich eine fundierte Ausbildung als die Grundlage für den späteren beruflichen Erfolg meiner Kinder. Ich selbst habe zu einer Zeit an einer Handelsakademie maturiert, in der schon die Reifeprüfung ausreichen konnte, um beeindruckende Berufslaufbahnen zu starten. Mag die Matura als „Eintrittskarte“ zum Studium zwischenzeitlich schon längst an Bedeutung verloren haben, stellt der Abschluss einer berufsbildenden höheren Schule noch immer eine hochwertige Ausbildung mit besten Zukunftschancen dar. Die immer präsente Vermittlung dieser elterlichen Grundhaltung zum Wissenserwerb im ersten Bildungsweg, zur Bereitschaft für ein anschließendes „lebenslangen Lernen“ und zum Leistungswillen im Allgemeinen, legt den Grundstein für die nächste Generation. Ich behaupte nicht, dass dieser Prozess ohne Konflikte und Diskussionen mit meinen Kindern abläuft – zumal Jugendliche, denen es eigentlich an nichts mangelt, dem üblichen Argument „Du sollst es einmal besser haben…“ überhaupt nicht mehr zugänglich sind.

Dialog statt Monolog
Meine Frage „Na, wie war’s heut‘ in der HTL?“ kann ich mir mittlerweile sparen – zumindest ist das „Jo, eh…“ als Antwort meines Sohnes darauf nicht besonders ergiebig. Es ist (m)eine tägliche Herausforderung, das richtige Maß an Distanz zu einem Pubertierenden zu finden, mich als Elternteil bewusst zurückzunehmen, trotzdem den Kontakt zu suchen und eine gemeinsame Gesprächsbasis zu finden. Einen Jugendlichen als Gesprächspartner völlig gleichberechtigt zu betrachten und die Kommunikation nicht auf elterliche Monologe oder ständige Moralpredigten aufzubauen, ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Gespräche mit Halbwüchsigen überhaupt erst sinnvoll werden. „Schule“ als Thema sollte dabei nur eines von vielen sein – lediglich am schulischen Erfolg gemessen zu werden, kommt in diesem Alter der Selbstfindung bei Pubertierenden gar nicht gut. Das wichtigste Signal meiner immer wiederkehrenden Dialogsuche ist schließlich: „… ich bin an deinem Leben interessiert und deine Probleme sind mir nicht gleichgültig…“

Begleitung durch Krisen
In der intensiven Phase der Persönlichkeitsentwicklung ist es für Jugendliche bedeutsam, von ihren Eltern Stabilität und moralische Unterstützung zu erhalten, auch wenn sie es sich in ihrem ablehnenden bzw. rebellischen Verhalten oft nicht anmerken lassen. Bei Schülern einer höheren Schulstufe lässt es sich kaum vermeiden, dass durch die immer wiederkehrende kritische Betrachtung des vor ihnen liegenden „langfristigen“ Bildungsweges (aber auch anderen, privaten Ablenkungen) als Gegenreaktion gelegentlich eine gewisse Schuldistanz entstehen kann. Insbesondere bei schulischen Rückschlägen kommen immer wieder Selbstzweifel bei Halbwüchsigen auf. In dieser Phase weiter mit dem eigenen Kind sachlich zu kommunizieren und Partner (z.B. Lehrer, aber auch Familienmitglieder) in den Problemlösungsprozess mit einzubeziehen – auch wenn es ein unangenehmes Outing „Wir haben ein gröberes Problem mit der Schule…“ erfordert – ist für uns Eltern die einzige Möglichkeit, aus dieser „Krise eine neue Chance“ zu formen.

Grenzen und Regeln
Die heutige Elterngeneration ist – je nach Altersgruppe – stark von eigenen Erfahrungen hinsichtlich Erziehungs- und Strafkultur, eventuell sogar verbunden mit körperlichen Züchtigungen, geprägt. Die „Altlasten“ aus der eigenen Kindheit lassen eine einerseits liebevolle Erziehung und andererseits das Setzen von Regeln und in der Folge die Anwendung von Strafen in einem krassen Widerspruch erscheinen. Diese Elterngeneration verzichtet daher oft bewusst auf autoritäre Erziehungsmethoden, obwohl Jugendliche mittlerweile nachweislich nach Grenzen und Orientierung suchen. Für uns Eltern ist das Durchsetzen von Grenzen sicher nicht der bequemste Weg, denn intensive Konflikte und Diskussionen mit den Kindern lassen sich dabei kaum vermeiden. Doch für die Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsfindung von Pubertierenden ist ein Regel-System erwiesenermaßen entscheidend. Allerdings sollten Strafen heute vielmehr ihren Zweck in der Wiedergutmachung, denn in der Vergeltung finden – bedeutend ist die wiederkehrende Vermittlung, dass bestimmte Verhaltensweisen bestimmte Konsequenzen nach sich ziehen. >> siehe auch „Die Neue Autorität

DI Martina Gaind, 27. September 2016